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115) Fragen von Lesern

 

Vorneweg möchten wir allen - auch den früheren Fragestellern - für die guten, auch unerwarteten Fragen, danken.

 

1) Wie ist das für euch, so weit weg von mir? Ich meine, Wohnung, Luxus, Duschen, Essen etc., sind ja eine Sache. Aber, wie ist es für euch so lange weit weg von mir zu sein (also ist es ein ganz normales Vermissen oder gibtˋs da spezielle Gedanken oder Momente, wo es anders ist und wenn ja, wie?) - aber vielleicht auch im Hinblick auf andere Verwandte und/oder Freunde?

 

Olli: Vielleicht sollte die Frage des Vermissens nicht nur an der Distanz gemessen werden. Die Dauer ist natürlich schon ein Punkt.

Wenn es uns gut geht und dir auch, spielt die Distanz eigentlich keine so große Rolle. Außerdem sind wir heute durch Internet gut miteinander verbunden, jeder kriegt ganz gut mit was der andere so macht. Das Internet verbindet ;-) Wichtige Menschen trägst du ja auch stets im Herzen mit dir mit - und sie begleiten dich mental auf deinem Weg. Das hilft und überbrückt Distanz und Zeit. Die Vorfreude aufs Wiedersehen ist natürlich riesig!

 

Sabine: Ich vermisse dich sehr. Oft ist es ja vor allem in der Distanz so, dass man merkt, wen und was man am meisten vermisst. Wie Olli ja schrieb, haben wir immerhin Kontakt übers Internet (Whats App, Signal, Mails). Wie zum Beispiel in unserer Gruppe "Familienkurzschluss" in Signal. Das kann natürlich keine Umarmung und persönliche Nähe ersetzen. Ich freue mich jetzt schon aufs Umarmen, wenn wir zurück sind.


(Frage gestellt von Zarah, unserer Tochter aus Stuttgart)

 

 

2) Wie klappt das mit der Navigation? Nur mit Smartphone?


Zum Navigieren benutzen wir, wie fast alle Hiker, die App "Guthook", die per GPS die Position anzeigt. Die virtuelle Karte zeigt uns dabei alle wichtigen Daten: Zeltplätze, Wasserstellen, besondere Markierungen, Resupply-Orte u.a.. Außerdem können Hiker Kommentare hinterlassen und z.B. (extrem wichtig) den aktuellen Zustand von Wasserquellen posten. Nachteil: Das Handy muss immer geladen sein (wir machen das via Power-Bank und Solarpanel).


3) Habt ihr keine Karte / Kompass?


Die klassische Karte wird heute durch die App überflüssig. Denn Karten sind schwer und eher unhandlich. Einen Kompass haben wir zur Sicherheit dabei. Manchmal findet man in Hikerboxen noch Karten, die abgelegt werden, wenn der entsprechende Hiker durch die Passage durch ist. Wir hatten auch mal welche dabei und uns noch welche über kommende Abschnitte in den "Norden" geschickt. Diese Büchlein dann aber selbst in die Hikerboxen gelegt.


4) Bekommt ihr die Heringe des Zeltes oft nicht in den Boden? Klappt das mit Steinen als Anker gut?


Alles in allem klappt das mit den Heringen ganz gut. Manchmal ist der Boden zu hart, manchmal aber auch zu weich. Da helfen zusätzliche Steine als Beschwerung oder ergänzende Sicherung, vor allem wenn es windig ist, ganz gut oder eben als Hammer. Allerdings müssen sie auch vorhanden sein. Wir hatten einmal eine Tentsite, da haben wir wirklich keinen einzigen Stein gefunden. Zum Glück war der Boden weder zu hart, noch zu weich und windig war es auch nicht. Dreimal haben wir Heringe an unterschiedlichen Stellen leider verbummelt. Da wir aber zwei von den Zeltheringen mehr dabei hatten, war das kein Problem. Einen von den Türheringen, mit Haken, haben wir ebenfalls nicht mehr gefunden; dafür allerdings an einer anderen Tentsite einen ähnlichen, den jemand anderes vergessen hatte.


5) Was denkt ihr wird der Trip am Ende gekostet haben?


Schwer zu sagen, alles in allem (weiterlaufende monatliche Fixkosten, Anschaffungen, auch nachträgliche vor Ort, zusätzliche langlaufende Auslandskrankenversicherung, Kosten vor Ort) vielleicht um die 15.000 € pro Person.

Die Wohnung haben wir untervermietet, so dass wir in der Zeit so gut wie keine Mietkosten haben. Die paar anderen regelmäßigen Kosten, die weiterlaufen, hätten wir zuhause jedoch auch. Der größte Batzen sind natürlich die Kosten vor Ort, Resupply, ab und zu mal Motel, mal Lodge, Greyhoundbus nach Ashland, Flug zurück nach Kalifornien, Equipment (neues leichteres Zelt von Z-Packs, ultimativ der beste Schlafsack von Western Mountain für Sabine, vier paar Altra-Trailrunner für Olli, wahrscheinlich folgt noch ein fünftes (Sabine ist erst beim zweiten Paar Lowa Gorgon - jetzt laufen wir aber erst mal in unseren Bergschuhen, die wir gerade bei Grumpy Bear in Kennedy Meadows abgeholt haben), ein Hyperlite Mountain Gear Rucksack für Sabine, statt dem Deuter, den sie zurück geschickt hat. Und ja, die diversen Shipping-Kosten von stuff, das wir ausgetauscht oder so aussortiert haben oder Filmmaterial auf Festplatten, das wir nach Deutschland und New York geschickt haben.


(Fragen 3-5 gestellt von Andy aus Kalchreuth / Bayern)

 

 

 

6) Denkt man anders, wenn man alleine läuft?


Olli: Ja, wenn man alleine läuft, fällt die normale Kommunikation weg, in die man sich jederzeit "flüchten" kann. Man ist mit seinen Gedanken alleine. Nichts lenkt mehr ab, man hört nur seine eigenen Schritte, läuft seinen eigenen Rhythmus, entscheidet über jedes kurze Stehenbleiben oder über jede Pause. Auch bezüglich des Essens. Sich ganz alleine in den unendlichen Landschaften zu bewegen, macht auch emotional was mit einem. Es ist ein großartiges Gefühl, mit nichts zu vergleichen. Die Frage nach dem alleine oder zusammen ist aber letztlich eine grundsätzliche, philosophische Frage. Kann jeder jederzeit nachvollziehen: Wie fühlt es sich z.B. an, alleine ins Theater zu gehen oder zu zweit? Wobei im Theater ja auch noch viele andere Menschen sind, mit denen man reden könnte ...

 

Sabine: Es wundert mich nicht, dass Gabi, die uns lange kennt und uns über die Arbeit am Blog samt Kommunikation über WA nahe ist, diese Frage stellt. - Die ersten Wochen bin ich in Gedanken Situationen in meinem Leben rauf und runter durchgegangen, sie kamen mir einfach so in den Kopf. Dann war nix mehr da. Ich wusste nicht mehr, über was ich noch nachdenken kann/soll. Dann war große Leere da. Und da die Landschaft nicht so schnell wechselt, also eher so ist, als würde man tagelang in dasselbe Theaterstück gehen oder denselben Film anschauen, war das eine große Herausforderung für mich. Das macht man ja auch nur mit Lieblingsstücken, Lieblingsfilmen. Auf dem Hike ist aber nicht alles Lieblingslandschaft. Ich habe auch keine Musik gehört, das kam erst am Ende in Washington, um über die enormen Steigungen zu kommen.

Dabei habe ich auch herausgefunden, dass mir die offene, großzügige Weite in Kalifornien, das bestätigte sich jetzt, da wir erneut in Kalifornien sind, am liebsten für einen solchen "Leerzustand" ist und Lavahänge wie bei den Three Sisters in Oregon oder Bergspitzen wie die Goat Rocks in Washington, also auch hier der Blick in die Weite gehen kann. Die Kalifornier sagen ja von sich selbst, dass sie wegen dieser Weite so gelassen seien.

Den cosy, heimlich-unheimlichen Wald kann ich in meinem "Leerzustand" weniger ertragen und er ist vor allem bei düsterem Wetter oder abends ein wenig beunruhigend. Ich sprach dann immer vom Hänsel- und Gretelwald. Das Märchen hat mich immer angerührt, also dass die Eltern das Geschwisterpaar im Wald aussetzen mussten, weil sie ihre Kinder nicht ernähren konnten. Das kann man jetzt tiefenpsychologisch deuten ... Wir wissen, dass es gut ausging, die Kinder die Hexe ausgetrickst und wieder nach Hause gefunden haben und die Eltern, die ihren Schritt längst bereuten, überglücklich über die Rückkehr ihrer Kinder waren. Jedoch verändert sich der "Leerzustand" immer wieder, weil ich jetzt über Begegnungen und über den Hike an sich nachdenke (grins). Wegen gleichbleibender Landschaft habe ich übrigens begonnen, bei Olli Niederländisch zu lernen. Das geht natürlich nur, wenn wir zusammen laufen (Doppelgrins).

Immer wieder laufen wir Passagen jedoch getrennt und diese werden auch länger, also wird das beschriebene Wechselbad noch öfter eintreten. Ich habe mit Hikern gesprochen, die wegen dieser "Einsamkeit" aufgehört haben, andere haben in ihr Mobiltelefon gesprochen. Ich lerne die Vorzüge immer mehr schätzen, denn bei körperlicher Herausforderung muss jeder seinem Rhythmus folgen, seinem Stoffwechsel und dann Essen und Pause machen, wenn es für ihn stimmt. um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Wir haben darüber gesprochen, ob das zuhause nicht auch öfter ein Modell wäre ...


(Frage gestellt von Gabriele Glang aus Geislingen-Türkheim am Albtrauf, übersetzt unseren Blog ins Englische)

 

 

7) Wo fühlt ihr euch denn inzwischen wohler? Auf dem Trail mit seiner Gemeinschaft und der Nähe zur Natur (mit allen Widrigkeiten) oder in der Stadt, mit ihren Annehmlichkeiten, aber auch dem Trubel?

 

Nach 2 Tagen Stadt istˋs meist genug. Dann raus in die Ruhe. Seattle war toll, aber unglaublich laut. Bei Sabine bitzelt es in der Stadt aber nochmals mehr. Sie wäre gerne noch ins Kunstmuseum, zum Improtheater etc. Überall auf der Welt sind montags die Museen zu. In Seattle hat das Kunstmuseum am Dienstag zu. Impro nur Fr, Sa. Wir kamen So an ... Aber, auch gut. Waren doch bissle lahm und schlapp und genossen das Herumschlendern bei nicht zu heißen Temperaturen. Haben uns die Kaugummikunstwand am Pike Market Place angeschaut und auch je einen Kaugummi mit Geschmack Polar Ice dran geklebt. In Ashland waren wir im Theaterstück "Inbetween Knees" während des Shakespeare Festivals. Eine intelligente, humorvolle Auseinandersetzung mit der Geschichte Amerikas und dem weißen Mann, der die Indianer verdrängt, bis hin zu einer Episode im Dritten Reich, einer im Vietnamkrieg - eine Weltpremiere, das Stück kann man nur empfehlen.

Zunehmend ist es aber bei uns beiden so, dass wir nach größeren Orten recht schnell vom Sinn und Unsinn der Zivilisation genervt sind und uns direkt freuen, wieder on trail zu können.

 

(Frage gestellt von Carmen Lemberg aus Ludwigsburg)