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124) 13.-19. Oktober: Quincy (Exit Olli)

13 -19. Oktober, Tag 197-203
PCT-km: 2040, gelaufen: 3545 km

 

Nun steht es fest: Nach reiflicher Überlegung wird Olli am Ende dieser Etappe in Quincy aussteigen und über San Francisco nach Hause fliegen. Es wären noch einige Tage mehr drin gewesen, aber der Übergang zurück soll stressfrei verlaufen. Die Arbeit ruft! Sabine geht alleine weiter. Doch von vorne ...

 

Sind am 13. Oktober gegen Abend von einer Mitarbeiterin des Sierra Pine Resorts in Sierra City zum Trailhead zurückgefahren worden. Es folgte gleich ein anstrengender Anstieg von 1400 auf 2200 m über 12 km, den wir noch am Abend meisterten. Zur Belohnung gab es eine tolle Tentsite mit super Blick und einen ebenso super Sonnenaufgang am nächsten Morgen.

 

Das Wetter war insgesamt gut, obwohl die Sonnenstunden am Tag abnehmen und es nun meist recht kalt wird. In den niedrigeren Regionen sieht man jetzt, wie sehr der Herbst Einzug gehalten hat. Der Trail ist hier von gelb-goldenen Blättern bedeckt. Achtung: Rutschgefahr! Bislang liefen wir fast ausschließlich oberhalb der Baumgrenzen über felsige Hänge und Berge.

 

An den ersten beiden Tagen trafen wir auf keine Hiker, bzw. Menschen mehr. Erst am Abend des 3. Tages: Kurz vor einem Parkplatz fand Sabine mitten auf dem Trail ein großes, aufwendiges Messer. Auf dem Parkplatz stand ein Auto. Ein Mann stieg aus als er unsere Lampen sah und fragte, ob wir OK seien oder was bräuchten, Wasser, Food ...  Wow! Wir brauchten dringend Wasser, da am nächsten Tag eine Stretch von über 20 km ohne Wasser bevorstand. Aber auch für den Abend zum Kochen. Daher wollten wir noch bis zur Alda Spring Campsite laufen, von wo aus ein ca. 500 m langer Sitetrail zur Alda Spring führte. So konnten wir uns - einmal an der Campsite angekommen - abends den extra Weg, zumal in der Dunkelheit, sparen. Mischa, studierter Forstwissenschaftler aus der Ukraine, bot uns nochmal Food und Batterien an, die wir dankend ablehnten, da wir damit gut versorgt waren. Ein nächtliches Interview mit ihm machten wir aber noch. Ach ja, und ein Messer hatte er nicht verloren! Nun ja, wir werden es mitnehmen ...

 

Eine Stunde später erreichten wir die angestrebte Tentsite. Tatsächlich waren wir nicht alleine, ein Hiker hatte hier bereits für die Nacht sein Zelt aufgebaut und begrüßte uns trotz später Stunde herzlich. Dieser Hiker wollte am nächsten Morgen losziehen, konnte aber seine Trekkingstöcke nicht finden. Zusammen suchten wir den Platz ab, die Stöcke blieben aber verschwunden. Bruce, Trailname Tortuga (langsame Schildkröte) hatte den PCT vor 19 Jahren in Sektions angefangen und in diesem Jahr den Rest, immerhin noch etwa die Hälfte der Strecke, in Angriff genommen. Er hatte jetzt nur noch die Stretch bis Sierra City vor sich, also dorthin, wo wir herkamen. Ging also southbound. Er entschied sich ein Stück zurückzugehen, da er die Stöcke an seiner letzten Haltestelle am vorigen Abend vermutete, ca. eine Meile nördlich. Und tatsächlich: als er zurückkam, hatte er seine Stöcke wieder dabei! Es folgte noch ein schönes Interview mit ihm, in dem sich rausstellte, dass er als Photojournalist, Paartherapeut und Pastor tätig war. Tauschten am Schluss noch unserer Kontaktdaten aus und verabschiedeten uns. Er war der letzte, den wir bis Quincy auf dem Trail trafen.

 

Kurz nachdem Bruce gegangen war, musste Sabine ihrerseits feststellen, dass ihr was fehlte: Ihre Daunenjacke! Sie hatte sie am Vortag bei einer Pause in einen Baum gehängt. Beide waren grün. Haben wir dann beim Gehen übersehen. Ist natürlich total blöd, da es täglich kälter wird. Sabine wird, nach meinem Ausstieg, meine Daunenjacke übernehmen, auch wenn bei der der Reißverschluss nicht mehr geht. Sowas Dummes!

 

In der Nacht bevor wir Quincy erreichen wollten, regnete es sogar! Wahrscheinlich das erste Mal nachdem wir vor Wochen im August Washington verlassen hatten. Hoffentlich ein Einzelfall ... Temperaturen um null Grad in der Nacht reichen vorerst ;-)

 

Gestern, am 17. Oktober, haben wir dann gegen 18:30 Uhr den Trailhead zu Quincy, dass 13 Meilen entfernt liegt, erreicht. Es wurde schon dunkel (und auch sehr kalt) und wir hofften auf dieser verlassenen Straße möglichst schnell einen Hitch-Hike zu bekommen. Wir hatten Glück: Das erste Auto das kam, hielt an. Wir konnten mit Viktor ca. 6 Meilen auf der Ladefläche seines Pickups mitfahren. Kamen so Quincy schon etwas näher ... Mittlerweile war es dunkel. Ob überhaupt noch ein Auto vorbeifahren würde? Wir hatten nochmal Glück! Das erste Auto hielt mit quietschenden Bremsen mitten auf der Fahrspur an. Ein total lustiger Typ namens Jeremiah hatte sein Auto komplett mit Holz beladen, aber er sagte, dass er uns auf keinen Fall hier auf der Straße stehenlassen würde. Die Rucksäcke wurden kurzerhand zwischen Holzstücke gezwängt und wir fanden beide "übereinander" auf dem Beifahrersitz Platz: Olli unten, Sabine auf seinem Schoß. Es folgte eines der skurrilsten Gespräche, die wir auf unserer Tour bislang führten. Wir erfuhren vieles über Amerika, Amerikaner und vor allem über das Verhältnis zwischen Silicon Valley und Nord Kalifornien. "Die in Silicon Valley verkaufen Terabytes, wir hier in Nord Kalifornien machen die harte Arbeit". Er brachte uns zu unserem Motel, das Spanish Creek Motel in Quincy.

 

Gleich an der Rezeption eine weitere, besondere Bekanntschaft mit dem Management gemacht, das aus drei Generationen einer indischen Familie bestand: Aus Mutter (Ila), Tochter (Roshni, was 'Licht' bedeutet) und Großmutter (Jamnaben). Von ihnen bekamen wir am nächsten Tag sogar ein indisches Mittagessen. Total nett! Dass es auch andere, tragische Geschichten gibt, sollten wir beim Frühstück am nächsten Morgen feststellen: Wir lernten Adriana und ihren Sohn James kennen, die vor etwa einem Monat ihren Sohn, bzw. Bruder durch einen Autounfall (vermutlich Sekundenschlaf) verloren hatten und in Quincy waren, um seine persönlichen Sachen aus dem Autowrack zu holen. 

 

In Quincy werden wir die letzten beiden Tage gemeinsam verbringen, bevor Olli zurück nach Deutschland fliegen wird und Sabine den PCT hoffentlich bis Ashland fortsetzen kann. Es fehlen ihr noch ungefähr 440 Meilen, die sie in ca. 25 Tagen absolvieren möchte.

Ab jetzt werden beide getrennt den Blog fortführen.

 

Zu guter Letzt: Im Cafe 'Morning Thunder' wurden wir von Sharon, die mit ihrer Mutter Theresa ebenso Gast im Cafe war, angesprochen, ob wir eine Fahrt zum Trailhead bräuchten. Klasse! Wir wollten beide zum Trailhead zurück um uns dort von einander zu verabschieden. Sharon schenkte Sabine noch einen hübschen Schal und eine Gesichtscreme, die sie ihrerseits im letzten Jahr von einer Hikerin aus Maryland bekommen hatte. Es sei Tradition, das an einen anderen Hiker/Hikerin weiter zu geben. Sie war sogar bereit, Olli danach 80 Meilen nach Reno zu fahren, von wo aus er am nächsten Tag gut nach San Francisco kommen konnte. Sein ursprünglicher Plan war es, am Abend mit dem Bus nach Chester zu fahren, die einzige öffentliche Verbindung raus aus Quincy. Von Reno (Nevada) aus würde er mehrere Stunden einsparen und könnte dann noch evt. einen Spontanbesuch bei unserem Hikerfreund Mike Downhill in Sacramento machen, der uns seinerzeit unsere Trailnamen gegeben hatte.

 

Am Trailhead trennten sich dann endgültig unsere PCT-Wege. Nach 7 Monaten und der unglaublichsten Zeit, die wir bislang in unserer beider Leben erfahren durften! Nachdem Sabine hinter einem riesigen Gesteinsbrocken verschwunden war, entschieden Sharon und Olli, doch erst am nächsten Morgen nach Reno zu fahren. Olli wurde eingeladen im Haus von Sharon und ihrem Mann Dennis zu übernachten, das ganz in der Nähe von Quincy lag. Wahre Trailangels!